Muss die WEG bei verzögerter Regulierung in Vorleistung treten?

11.04.2022

Die rechtlichen Beziehungen zwischen Wohnungseigentümern, der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) und der Wohngebäudeversicherung sind komplex. Versicherungsrechtlich hat die Unterscheidung von Gemeinschafts- und Sondereigentum keine Bedeutung. Wohnungseigentumsrechtlich verhält es sich anders. Bei der verbundenen Wohngebäudeversicherung ist die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) Versicherungsnehmerin. Die Sondereigentümer sind mitversicherte Personen. Wie es sich verhält und was es zu beachten gibt, erklären wir an einem Beispiel.

Reguliert der Versicherer bei einem Leitungswasserschaden nicht oder nur teilweise, so dass eine Deckungsklage geführt werden muss, stellt sich die Frage, ob der vermietende Sondereigentümer oder die Gemeinschaft die Schadensbehebung vorfinanzieren muss, um eine Wohnung wieder vermietbar zu machen. Mit einem solchen Sachverhalt hatte sich das Oberlandesgericht Nürnberg in letzter Instanz zu befassen.


Worum ging es?

Ende 2009 gab es in der Wohnung des Klägers einen Wasserschaden, der unter anderem den Estrichaustausch erforderlich und die Wohnung unbewohnbar machte. Der Mieter zog im Januar 2010 aus der Wohnung aus und minderte die Miete um 100 Prozent (monatlich 615,80 EUR). Der Gebäudeversicherer regulierte teilweise, lehnte weitergehende Regulierungen aber ab. Im Deckungsprozess wurden mehrere Ortstermine durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen durchgeführt, zuletzt im Oktober 2013. Die Kosten für den Austausch des Estrichs beliefen sich auf rund 12.000,00 EUR. Neben seinem Anteil hieran hätte der Kläger ca. 8.700,00 EUR für die sein Sondereigentum betreffenden Schäden aufwenden müssen, um die Wohnung in einen vermietungsfähigen Zustand zu versetzen. Durch Beschluss der Eigentümerversammlung aus dem Jahr 2012 war der Kläger ermächtigt worden, auch Schäden bezüglich des Gemeinschaftseigentums im eigenen Namen geltend zu machen. Der Kläger klagte insgesamt rund 72.000,00 EUR ein und verlangte Mietausfallersatz auch für die Zeit über Januar 2014 hinaus.


Die Entscheidung

Landgericht und Oberlandesgericht (Beschluss vom 10.5.2021 zum Aktenzeichen 8 U 3174/20) sprachen dem Kläger Schadensersatz wegen Mietausfalls für rund 4 Jahre zu (49 x 615,80 EUR = 30.174,20 EUR). Nach dem letzten Ortstermin des gerichtlichen Sachverständigen sei das beweisrechtliche Sicherungsinteresse des Klägers weggefallen, so dass er aufgrund der ihn treffenden Schadenminderungspflicht (Mitverschulden) angehalten gewesen sei, die Wohnung unverzüglich aus eigenen Mitteln wiederherzurichten. Den rechtskräftigen Abschluss des Deckungsprozesses gegen die Versicherung habe er nicht abwarten dürfen. Der auf ihn entfallende Anteil habe keine Kreditaufnahme erforderlich gemacht, so dass es ihm möglich und zumutbar gewesen wäre, für die Erneuerung des Estrichs und die Renovierung der Wohnung Sorge zu tragen.

 
Anmerkungen zur Entscheidung

Leitungswasserschäden betreffen also in aller Regel – so auch hier – gemeinschaftliches Eigentum und Sondereigentum. Versicherungsrechtlich macht das keinen Unterschied. Wohnungseigentumsrechtlich liegen Zuständigkeit und Kostentragung für das Sondereigentum bei Sondereigentümer, bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums grundsätzlich bei der Gemeinschaft. Abweichende Vereinbarungen können sich aus der Gemeinschaftsordnung ergeben. In Schadensfällen ist es häufig erwägenswert, den Sondereigentümer zu ermächtigen, auch Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum im eigenen Namen geltend zu machen. Dies gilt vor allem dann, wenn er ein starkes Eigeninteresse an der alsbaldigen Wiedervermietung seiner Räume hat. So war es auch im vorliegenden Fall geschehen.

Nach den üblichen Versicherungsbedingungen – so auch hier – ist der Ersatz von Mietausfallschäden auf 24 Monate begrenzt. Gleichwohl kann sich der Gebäudeversicherer schadensersatzpflichtig machen, wenn er bestimmungswidrig und schuldhaft eine Regulierung verweigert. Dies war vorliegend geschehen, da nach den gutachterlichen Feststellungen der Austausch des Estrichs erforderlich war. Estrich steht zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum (§ 5 Abs. 2 WEG). Daher machte sich der Versicherer über 24 Monate hinaus schadensersatzpflichtig.

Dem klagenden Sondereigentümer wurde es letztlich zum Verhängnis, dass er die „Mietausfall-Uhr“ unbeirrt weiterlaufen ließ, anstatt proaktiv die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums im räumlichen Bereich seiner Wohnung voranzutreiben. Bezüglich des Estrichs war die Gemeinschaft zuständig und kostentragungspflichtig, so dass der Kläger eine zeitnahe Beschlussfassung hätte herbeiführen sollen. Selbst wenn sein Beschlussantrag abgelehnt und er in die Beschlussersetzungsklage gegangen wäre, hätte ihn möglicherweise kein Mitverschulden getroffen. Er hätte dann alles Erforderliche und Zumutbare unternommen, um die Beschlussfassung der Gemeinschaft herbeizuführen. Streitbar wäre dann freilich die Frage gewesen, ob er während des Prozesses gegen die Gemeinschaft auch den Estrichaustausch komplett aus eigenen Mitteln hätte vorfinanzieren können und müssen (immerhin hatte er vom Versicherer nennenswerte Ersatzleistungen erhalten). Bezüglich des Sondereigentums traf die Obliegenheit zur Vorfinanzierung ohnehin den Kläger. Insoweit war die Gemeinschaft nicht involviert.

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