Terrassenerweiterung
06.07.2023
Der Gestattungsbeschluss über eine Terrassenvergrößerung begründet kein Sondernutzungsrecht. Der Beschluss ist daher nicht nichtig.
Gestattet die Mehrheit einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung, die er im Bereich seiner Wohnung vornehmen möchte, hat er die Kosten zu tragen. Nur ihm gebühren die Nutzungen. So ist es in § 21 Abs. 1 S. 1 und 2 WEG verankert. Man spricht von einem gesetzlichen Sondernutzungsrecht. Aber: könnte der Beschluss nichtig sein, wenn in ihm die Begründung eines Sondernutzungsrechts versteckt ist? So jedenfalls war die Gesetzeslage bis zum 01.12.2020. Mit Urteil vom 11.11.2022 zu dem gerichtlichen Aktenzeichen 19 S 19/22 bejahte das Landgericht Düsseldorf in der Berufungsinstanz die Beschlusskompetenz, einem Eigentümer die Erweiterung seiner Terrasse zu gestatten, auch wenn er dadurch „faktisch“ ein Sondernutzungsrecht an einer Gemeinschaftsfläche erhielt. Die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sondernutzungsrechts, die in der Tat nichtig wäre, läge darin nicht. Das Landgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu, weil die Frage der Zulässigkeit faktischer Sondernutzungsrechte infolge baulicher Veränderungen höchstrichterlich zu klären sei. Ob das Rechtsmittel eingelegt wurde, ist derzeit noch unbekannt.

Jan-Hendrik Schmidt, Rechtsanwalt und Partner bei W‧I‧R Breiholdt Nierhaus Schmidt
Was war passiert?
Der Kläger begehrt im Wege der Beschlussersetzungsklage den Rückbau einer durch den Miteigentümer A errichten Erweiterung seiner Terrasse. Der Kläger ist einer von 3 Miteigentümern der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). A gehört die Erdgeschosswohnung mit Terrasse. Ohne vorherige Zustimmung erweiterte er diese um 13,28 qm auf etwa das Dreifache ihrer ursprünglichen Größe. Nachträglich stimmte die Eigentümerversammlung baulichen Veränderung zu. Der Beschluss wurde mit 2 Ja-Stimmen (darunter die Stimme des A) und einer Nein-Stimme des Klägers gefasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig, nachdem der Kläger seine gegen ihn gerichtete Anfechtungsklage wieder zurückgenommen hatte. In derselben Versammlung hatte der Kläger beantragt, dass die GdWE den A auf Rückbau verklagt, was mit einer Ja- gegen 2 Nein-Stimmen abgelehnt wurde. Das Amtsgericht hatte der Beschlussersetzungsklage stattgegeben, das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab.
Die Urteilsbegründung des LG Düsseldorf
Der Kläger könne nicht beanspruchen, dass die GdWE eine Rückbauklage gegen den A erhebe. Da der Gestattungsbeschluss bestandskräftig sei, könnten Überlegungen zur Rechtmäßigkeit des Beschlusses dahinstehen. Dies gelte insbesondere für die Frage, ob in einer – wie hier – erheblichen Erweiterung der Terrassenfläche eine „grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage“ als Ganze liegen könne. Der Gestattungsbeschluss sei nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Dies wäre allerdings der Fall gewesen, wenn im Beschluss die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sondernutzungsrechts an der von der Terrasse überbauten Grundstücksfläche liegen sollte. So sei es aber nicht. Vielmehr sei das alleinige Nutzungsrecht die gesetzliche Rechtsfolge der Gestattung (§ 21 Abs. 1 S. 2 WEG). Anders als nach früherer Rechtslage läge darin keine rechtsgeschäftliche Einräumung eines Sondernutzungsrechts, so dass der Beschluss wirksam sei. Einen Anspruch auf gerichtliche Beschlussersetzung habe der Kläger daher nicht, weil das Führen aussichtsloser, namentlich von vornherein unbegründeter Rückbauprozesse, gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoße.
Fazit für Verwalter, Wohnungseigentümer und Gemeinschaft
Bei der Vorbereitung und Durchführung einer Beschlussfassung, vor allem aber bei der Verkündung des Beschlussergebnisses, muss der Verwalter darauf achten, dass die zur Abstimmung gestellte Beschlussfassung von Beschlusskompetenz getragen ist. Für die rechtsgeschäftliche Begründung von Sondernutzungsrechten fehlt eine Beschlusskompetenz, und zwar sowohl nach alter als auch nach neuer Gesetzeslage, sofern nicht in der Gemeinschaftsordnung eine Öffnungsklausel vereinbart ist, die einen Mehrheitsbeschluss in dieser Hinsicht genügen lässt. Ein Beschluss ist ein Rechtsgeschäft. Ist hingegen ein Beschluss nach objektiver Auslegung nicht auf die rechtsgeschäftliche Begründung eines Sondernutzungsrechts gerichtet, sondern auf die Gestattung einer baulichen Veränderung, ist er von Beschlusskompetenz getragen (§ 20 Abs. 1 WEG). Das ausschließliche und alleinige Nutzungsrecht an der baulich geschaffenen Anlage oder Einrichtung erlangt der Wohnungseigentümer nicht durch den Beschluss, also nicht per Rechtsgeschäft, sondern als gesetzliche Rechtsfolge gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 WEG. In letzter Zeit ließen mehrere Landgerichte die Revision zum BGH zu, um Fragen der Gestattung baulicher Veränderung klären zu lassen. Neben dem Fall aus Düsseldorf sind Urteile des Landgerichts Köln vom 26.1.2023 – 29 S 136/22 und des Landgerichts München I vom 8.12.2022 – 36 S 3944/22 WEG zu nennen. Dort geht es vorrangig um die Frage, wann eine grundlegende Umgestaltung im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG gegeben ist.
Ob Revision eingelegt wurde, bleibt abzuwarten. Begehren bauliche Wohnungseigentümer von der GdWE die Gestattung einer baulichen Veränderung am Sondereigentum oder gemeinschaftlichen Eigentum, sind sie bei der Abstimmung nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen. Gesetzliche Stimmrechtsverbote gemäß § 25 Abs. 4 WEG betreffen diesen Fall nicht. Daher war nicht zu beanstanden, dass A an der Abstimmung beteiligt war, obwohl zu erwarten war, dass er seine Terrassenerweiterung „super findet“. Versammlungsleiter müssen das wissen und berücksichtigen. Die Gestattung einer baulichen Veränderung kann sowohl als Einwilligung und somit vor ihrer Vornahme beschlossen werden als auch – wie hier im Fall – als nachträgliche Zustimmung (Genehmigung), wenn die Baumaßnahme bereits durchgeführt wurde.
Der sichere und daher vorzugswürdige Weg für einen bauwilligen Eigentümer besteht immer darin, sich die Gestattung vorher zu beschaffen. Es wäre ärgerlich, wenn geschaffene Werte nachträglich zerstört werden müssten. Einen Rechtsanspruch auf die von ihm begehrte bauliche Veränderung hat ein Wohnungseigentümer nur, wenn es sich um eine der gesetzlich privilegierten baulichen Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum handelt. Diese sind in § 20 Abs. 2 WEG aufgezählt: Barrierereduzierung, Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, Einbruchsschutz, Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität. Der Gesetzgeber betrachtet diese Aufzählung als abschließend.
Eine analoge (erweiternde) Anwendung der Vorschrift auf andere, möglicherweise zweckmäßige und/oder gesellschaftlich gewünschte bauliche Maßnahmen scheidet daher aus. Entschieden wurde das bisher für Außenklimageräte und Mini Solaranlagen auf dem Balkon. Will also ein Wohnungseigentümer einen Gestattungsbeschluss für eine bauliche Veränderung, die nicht privilegiert ist, muss er hoffen und darauf hinwirken, dass die Mehrheit für seinen Beschlussantrag stimmt. Der Mehrheitswille ist dann in der Regel maßgeblich und unumstößlich. Anderes gilt nur dann, wenn die bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder einen Wohnungseigentümer ohne dessen Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt.
Denn derartige bauliche Veränderungen dürfen nicht beschlossen und gestattet werden (§ 20 Abs. 4 WEG). Das Wörtchen „dürfen“ bringt in diesem Zusammenhang klar und eindeutig zum Ausdruck, dass Beschlusskompetenz allerdings gegeben ist. Ein Wohnungseigentümer, der überstimmt wurde, muss den Gestattungsbeschluss also anfechten, wenn er die Maßnahme stoppen will. Tut er das nicht, ist es zu spät. Wie es aussieht, wird es demnächst einige BGH-Urteile geben zu der Frage, wann eine grundlegende Umgestaltung zu bejahen ist. Mehrere Landgerichte haben die Revision zugelassen. In den dort zugrundeliegenden Sachverhalten geht es um die Gestattung einer Erdaufschüttung mit Terrasse und Rampe in den Garten (LG Köln), die Gestattung eines Pools (LG Bremen) und die Gestattung eines Außenaufzugs an einer Jugendstilvilla (LG München I). Für die Praxis lohnt es sich, den Ausgang dieser Verfahren im Blick zu behalten. Bei der Versammlungsleitung muss der Verwalter die Rechtsprechungsgrundsätze des BGH zu diesen grundlegenden Fragen kennen und die Eigentümer informieren.