W•I•R Wissensvorsprung: GO schlägt Gesetz – wenn sie klar genug ist!
02.10.2025
Vereinbarte Kostentragungspflicht des Sondereigentümers für Instandhaltung und Instandsetzung an Gebäudeteilen (hier: Fenster) im räumlichen Bereich seiner Wohnung – gilt das auch schon für anfängliche Mängel?

Stehen in einer GdWE bauliche Maßnahmen an, stellt sich immer die Frage nach Zuständigkeit, Durchführung, Kostentragung und Finanzierung. Da fast alle wesentlichen Gebäudeteile im gemeinschaftlichen Eigentum stehen, und zwar unabhängig davon, was die TE/GO sagt, ist nach den gesetzlichen Ausgangsregelungen im WEG die Gemeinschaft (GdWE) zuständig und kostentragungspflichtig. In der GO können allerdings abweichende Vereinbarungen getroffen sein. Es kommt häufig vor, dass beispielsweise Fenster, Dachterrassen oder Balkone ganz oder teilweise dem „Verwaltungsregime“ des Sondereigentümers unterstellt werden. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bringt neue Erkenntnisse.
Problembeschreibung
Zur Beseitigung anfänglicher Mängel hatte der BGH zumindest in der Sonderkonstellation von in der GO vereinbarter Untergemeinschaften mit umfassender verwaltungsmäßiger Trennung nach Gebäuden entschieden, dass auch die Kosten der Beseitigung anfänglicher Mängel in einem einzelnen Gebäude von den Mitgliedern dieser Untergemeinschaft zu tragen sind und nicht von sämtlichen Eigentümern. Offen war bislang, ob diese spezielle Aussage zu Untergemeinschaften verallgemeinert werden kann für Wohnanlagen, die nicht aus mehreren Gebäuden, Gebäudekomplexen bzw. Untergemeinschaften bestehen. Die Rechtslage war lange umstritten. Nun hat der BGH wie folgt entschieden:
Eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung, wonach einzelne Wohnungseigentümer die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums (hier: Fenster) zu tragen haben, umfasst im Zweifel die Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel.
(BGH, Urteil vom 23. Mai 2025 – V ZR 36/24)
Was war passiert?
Die Klägerin ist Mitglied der beklagten GdWE und Eigentümerin einer Teileigentumseinheit. Die Wohnanlage wurde von Anfang an mangelhaft errichtet. Ansprüche gegen den Bauträger konnten nicht durchgesetzt werden und sind verjährt. Es bestehen weiterhin anfängliche Mängel an den Fenstern verschiedener Wohnungen. Zur Kostentragung enthält die GO aus dem Jahr 2004 folgende Vereinbarung:
„Jeder Sondereigentümer trägt die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung seines Sondereigentums sowie folgender Gebäudeteile, gleichgültig, ob es sich dabei um Sonder- oder Gemeinschaftseigentum handelt: Nichttragende Innenwände, Bodenbeläge, Fensterstöcke, Fensterrahmen und Fensterscheiben […]“. Im Übrigen sollen die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums laut GO nach Miteigentumsanteilen (MEA) getragen werden.
In einer Eigentümerversammlung im Juli 2021, also nach dem 1.12.2020 (WEMoG) wurde beschlossen, die bereits anfänglich vorhandenen Mängel am Gemeinschaftseigentum – u.a. an den Fenstern – zu beseitigen. Zur Finanzierung der Maßnahme wurde eine Sonderumlage i.H.v. 875.000 € nach MEA beschlossen. Es sollten also alle Eigentümer gemeinschaftlich zahlen statt nach betroffenen Wohnungen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Anfechtungsklage.
Entscheidung und Urteilsbegründung des BGH
Der BGH bestätigt die Ansicht des Berufungsgerichts (LG München I), dass die Klage begründet ist, nachdem das Amtsgericht München die Klage abgewiesen hatte. Der in der Sonderumlage zugrunde gelegte Kostenverteilungsschlüssel war rechtswidrig, da er der GO widersprach. Wie immer kam es auf eine objektive Auslegung der GO nach Wortlaut und Sinn an, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung erschließt. Der BGH stellt zunächst den Streitstand bezüglich derartiger Kostenvereinbarungen dar. Nach der einen Ansicht erfasse eine Kostenvereinbarung wie hier auch die Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel. Die Gegenansicht verneint das mit dem Argument, das eine Instandhaltung und Instandsetzung begrifflich eine zunächst einmal mangelfrei hergestellte Wohnanlage voraussetze. Die Kostentragungspflicht des Einzelnen knüpfe an die Einwirkungsmöglichkeit des Wohnungseigentümers auf die Bauteile und deren Erhaltungsbedarf an, woran es im Hinblick auf anfängliche Mängel fehle, weil der jeweilige Wohnungseigentümer diese auch durch ein sorgfältiges Nutzungsverhalten nicht habe verhindern können. Der BGH folgt der ersten Ansicht und stellt bei der Auslegung allein auf die Instandsetzungsbedürftigkeit ab. Diese sei auch bei anfänglichen Mängeln gegeben, sodass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der einzelne Sondereigentümer die Kosten zu tragen habe, wenn es um Gebäudeteile gehe, die sich im räumlichen Bereich seines Sondereigentums befinden.
Überzeugt das?
Der V. Zivilsenat des BGH ist nicht nur für das Wohnungseigentumsrecht zuständig, sondern auch für die Nachbarrechtsgesetze der Bundesländer. In einem Urteil vom 14.12.2012 zum Az. V ZR 49/12 Rn. 7 zu einem Nachbarrechtsstreit in NRW (schadhafte Giebelwand) urteilte der BGH wie folgt: „Instandsetzungsarbeiten setzen begrifflich eine Reparaturbedürftigkeit voraus; denn was instand ist, kann und muss nicht instand gesetzt werden.“ Die oben zitierte Gegenmeinung aus dem Wohnungseigentumsrecht argumentiert ähnlich: instand gesetzt werden kann und muss nur, was bereits einmal vorher instand war. Stellt man indes – wie der BGH hier zum WEG – auf den Instandsetzungsbedarf als solches ab, ist die Sichtweise des BGH korrekt. Auch anfängliche Mängel lösen einen tatsächlichen Instandsetzungsbedarf aus.
Fazit für Verwalter
Mit keinem Wort geht der BGH darauf ein, ob sich Fenster „im räumlichen Bereich“ des Sondereigentums im Sinne der Vereinbarung in der GO befinden. Dies wird ohne weiteres bejaht und ist eine wichtige Erkenntnis aus dem Urteil. Obwohl Fenster – jedenfalls nicht vollständig – innerhalb des räumlichen Bereichs von Sondereigentum liegen, sondern zugleich Teil der (transparenten) Außenfassade des Gebäudes sind, liegen sie im Sinne der GO im räumlichen Bereich. Dementsprechend wird man dies auch für Balkone und Dachterrassen annehmen können.
Der BGH führt aus (Rn. 21 des Urteils), dass auch eine Vereinbarung in der GO hinreichend bestimmt sein muss. Hierzu ist folgender Hinweis für Verwalter wichtig: Anders als Beschlüsse, die bei fehlender Bestimmtheit vom Gericht im Falle einer gut begründeten Anfechtungsklage für ungültig erklärt werden, geht dies bei den Vereinbarungen nicht. Fehlerfolge hier ist, dass die gesetzlichen Ausgangsregelungen gelten, wenn die Vereinbarung nicht klar und eindeutig bestimmt ist. Im Fall hier hätte das bedeutet, dass bei fehlender Klarheit und Eindeutigkeit alle Wohnungseigentümer die Kosten für die erstmalige mangelfreie Herstellung der Fenster hätten tragen müssen, nicht nur der jeweilige Sondereigentümer. Dann wäre der Schlüssel der Sonderumlage korrekt gewesen. Hier jedoch war die GO klar und eindeutig, sodass der Schlüssel im Sonderumlagebeschluss falsch war.
Fast immer sind Gemeinschaftsordnungen auslegungsbedürftig. Verwalter müssen wissen, dass Abweichungen vom Gesetz nur dann gelten, wenn diese klar und eindeutig vereinbart sind. Fehlt es daran, bleibt es im Zweifel bei der gesetzlichen Ausgangsregelung, also Zuständigkeit und Kostentragung für gemeinschaftliches Eigentum bei Gemeinschaft und allen Wohnungseigentümern!
Ausblick
In Rn. 20 des Urteils merkt der BGH an, dass derzeit eine Nichtzulassungsbeschwerde bei ihm liegt gegen eine Entscheidung des LG Itzehoe zu der Frage, ob für die Einbeziehung der Sanierung von anfänglichen Mängeln in eine Instandsetzungsmaßnahme die Beschlusskompetenz fehlt. Das Aktenzeichen lautet V ZR 102/24. Wir dürfen gespannt sein, wie diese umstrittene und vom BGH bisher ungeklärte Rechtsfrage entschieden werden wird. Sie kann Relevanz haben, wenn die Zuständigkeit für die Instandhaltung und Instandsetzung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums dem Sondereigentümer auferlegt ist, dieser seiner Pflicht aber nicht nachkommt oder zwar nachkommen will, dies aber wiederum den Vorstellungen und Anforderungen der GdWE widerspricht.