W•I•R Wissensvorsprung: „Sanieren“ – Was bedeutet das im Wohnungseigentumsrecht?

12.06.2025

Wir alle, also auch Sie als gewerblich tätige Verwalterinnen und Verwalter von Wohnungseigentum, benutzen das Wort „Sanierung“ tagtäglich. Dabei sind wir in guter Gesellschaft, denn auch der Bundesgerichtshof (BGH) verwendet diesen Begriff in ständiger Rechtsprechung.


Dem Gesetzeswortlaut ist die „Sanierung“ indes fremd. Im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) findet man diesen Begriff nicht. Juristen sind bemüht, den schillernden Begriff anhand von Paragraphen und Tatbestandsvoraussetzungen mit Leben zu füllen. Das ist nicht einfach, aber wichtig, weil das WEG an die verschiedenen baulichen Maßnahmen unterschiedliche Anforderungen und Rechtsfolgen knüpft. 

 

Problembeschreibung

WEG und Rechtsprechung unterscheiden zwischen Erhaltung und baulicher Veränderung. Früher bzw. zwischenzeitlich – genau genommen vom 01.07.2007 bis 30.11.2020 – waren zusätzlich die Begriffe der modernisierenden Instandsetzung (§ 22 Abs. 3 WEG alte Fassung [a.F.]) und Modernisierung (§ 22 Abs. 2 WEG a.F.) im Gesetz verankert. Mit dem WEMoG hat der Gesetzgeber beide Begriffe gestrichen und davon abgesehen, den rechtspolitisch gängigen Begriff der „energetischen Sanierung“ in den Gesetzestext aufzunehmen. 

 

Die grundlegende Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil auf die Erhaltung ein Anspruch besteht, jeder Wohnungseigentümer von „seiner“ Gemeinschaft (GdWE) eine ordnungsmäßige Beschlussfassung und Durchführung beanspruchen kann, die GdWE zuständig ist und alle Eigentümer bezahlen müssen. Dies ist jedenfalls der gesetzliche Ausgangspunkt. Hingegen sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen bei einer baulichen Veränderung andere, wie wir im Einzelnen § 20 und § 21 WEG entnehmen können. Wo die modernisierende Instandsetzung und womöglich auch die Modernisierung „stecken“, weiß derzeit niemand. Feststehen dürfte aber, dass beide nicht ersatzlos abgeschafft wurden, sondern derzeit irgendwo im Verborgenen schlummern. Klärung kann nur eines Tages der BGH bringen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind nach meinem Kenntnisstand keine Verfahren (Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) beim BGH anhängig. 

 

Ein Urteil des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) hat mich auf die Idee gebracht, zu diesem Thema etwas zu schreiben. Der Leitsatz lautet: Ein Beschluss, dass die Eigentümer ihren Balkon sanieren, ist unbestimmt, da ihm nicht zu entnehmen ist, in welchem Umfang die Sanierung der Balkone durchgeführt werden soll, sprich nur das Sondereigentum (etwa Oberbelag) oder auch das Gemeinschaftseigentum. Ein Beschluss mit dem Ziel, Sondereigentum zu verwalten, ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. Es besteht selbst dann keine Beschlusskompetenz, wenn eine öffentlich-rechtliche Vorschrift Maßnahmen am Sondereigentum erfordert. 

(AG Friedberg, Urteil vom 10.06.2025 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2 C 580/24). 

Was war passiert?

Vor dem Amtsgericht Friedberg lief eine Beschlussanfechtungsklage. Die Anfechtungskläger sind Wohnungseigentümer in der aus drei Einheiten bestehenden Wohnanlage. Zu ihrer Wohnung gehören vier Außenbalkone und eine über der Garage belegene Terrasse. Es sind die einzigen Balkone und Terrassen im Objekt. Die Balkone und die Terrasse sind sanierungsbedürftig. In der Versammlung vom 10.07.2024 wurde mehrheitlich beschlossen, dass die Kläger (Eheleute K.) die vier Außenbalkone für ca. 8.000 EUR (TOP 5) und den Bodenbelag der Terrasse oberhalb der Garage in Eigenleistung sanieren. 

 

Da es sich um Mehrheitsbeschlüsse handelte, müssen wir davon ausgehen, dass die Kläger mit Nein stimmten und von den beiden anderen Wohnungseigentümern überstimmt wurden. Die Kläger erhoben eine Anfechtungsklage, die sie im Kern wie folgt begründeten: Die Beschlüsse zu TOP 5 und 7 seien unbestimmt; es sei nicht klar, was beschlossen worden sei; der Begriff Sanierung sei völlig unklar; der Balkonaufbau (Belag) gehöre zum Sondereigentum, die Unterkonstruktion zum Gemeinschaftseigentum, sodass nicht klar sei, was die Eheleute denn nun tatsächlich durchführen sollten und wie die Maßnahme finanziert werde; durch den Beschluss würden wesentliche Zuständigkeiten des Verwalters an die Eheleute K übertragen, was nicht zulässig sei; überdies seien die Beschlüsse nicht verkündet worden. 

 

Die beklagte GdWE verteidigte die Beschlüsse wie folgt: Die Beschlüsse seien hinreichend bestimmt, weil es in der WEG unstreitig nur vier Balkone und eine Terrasse gebe. Die GdWE habe mit der Beschlussfassung das Angebot der Eheleute K. angenommen, diese Sanierungen in Eigenleistung durchzuführen statt durch die GdWE. Der Begriff „Sanierung“ sei hinreichend konkret, denn hierunter sei im Bauwesen die baulich-technische Wiederherstellung bzw. die Werterhaltung der Bausubstanz und als Ziel die Wiederherstellung eines standsicheren, gebrauchstauglichen und zweckbestimmt nutzbaren Zustandes zu verstehen. Die Beschlussfassung sei protokolliert und damit auch verkündet worden; Zuständigkeiten seien nicht verschoben worden, vielmehr ginge es darum, dass die Sanierung in diesem Einzelfall von den Eheleuten K. in Eigenleistung ausgeführt würden. 

Entscheidung und Urteilsbegründung des AG Friedberg

Das AG Friedberg erklärt beide Beschlüsse für ungültig. Die Beschlüsse widersprächen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Beschluss zu TOP 7 sei sogar nichtig, weil den Wohnungseigentümer bezüglich des Sondereigentums keine Beschlusskompetenz zukomme. Dies gelte selbst dann, wenn eine öffentlich-rechtliche Vorschrift Maßnahmen am Sondereigentum erfordere. 

 

Das Amtsgericht entnimmt dem Versammlungsprotokoll, dass zu den TOP 5 und 7 jeweils abgestimmt und die Beschlüsse angenommen worden seien. Dies genüge für die Verkündung. 

 

Da es unstreitig in der ganzen Wohnanlage nur vier Balkone und eine Garagenterrasse gäbe, sei der Beschluss insoweit auch hinreichend bestimmt genug. Unbestimmt sei der Beschluss zu TOP 5 aber deshalb, weil nicht ersichtlich sei, wie weit die Sanierung gehen solle, insbesondere, welche Balkonteile saniert werden. Während dies für den Garagenbalkon deutlich geregelt sei, weil dort ausdrücklich nur der zum Sondereigentum zählende Oberbelag saniert werden solle, fehle eine solche Konkretisierung bei TOP 5. 

 

Die Verwendung des Begriffes „Sanieren“ sei aus Sicht des AG unschädlich. Im allgemeinen Sprachgebrauch habe der Begriff einen konkretisierbaren Inhalt. 

Überzeugt das?

Mich überzeugt das Urteil nicht. Zu beanstanden ist, dass das Amtsgericht auf eine Einwendung der GdWE nicht eingeht. Wenn es zuträfe, dass mit der Beschlussfassung ein Angebot der Eheleute K. angenommen worden sei, die Sanierung in Eigenleistung durchzuführen, läge weder ein Eingriff in die Verwaltungshoheit der Sondereigentümer vor noch eine Unbestimmtheit des Beschlussinhalts. Im rechtlichen Ausgangspunkt ist es zutreffend, dass die Zuständigkeit für das Sondereigentum beim Sondereigentümer liegt und Eingriffe der GdWE in diese Verwaltungshoheit mangels Beschlusskompetenz nichtig sind. Zur Verwaltungshoheit in diesem Sinne gehört insbesondere die ordnungsmäßige Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) des Sondereigentums. Für bauliche Veränderungen des Sondereigentums gilt das Gleiche. Beides kann § 13 WEG entnommen werden. 

 

Die Verwaltungshoheit des Sondereigentümers umfasst indessen auch die Abgabe einer Einverständniserklärung, dass die GdWE sich um Erhaltungsmaßahmen kümmern darf. Umgekehrt dürfte es unbedenklich sein, wenn der Sondereigentümer sich bereit erklärt, Maßnahmen selbst und/oder auf eigene Kosten durchzuführen, die nach dem Gesetz oder den Vereinbarungen der Gemeinschaftsordnung an sich der GdWE obliegen. Die GdWE behauptete, die Eheleute K. hätten der GdWE angeboten, die Sanierung in Eigenleistung durchzuführen. Wir wissen nicht, ob das stimmt. Insbesondere teilt der Sachverhalt nicht mit, ob das Angebot mündlich, schriftlich oder in Textform vorlag und welchen Inhalt es hatte. Im Zeitpunkt der Abstimmung dürfte das Angebot möglicherweise nicht mehr gegolten haben, immerhin stimmten die Kläger wohl mit Nein. Gleichwohl sind die Einzelheiten hierzu unbekannt. Es ist anerkannt, dass ein Wohnungseigentümer anfechten darf, obwohl er für einen Beschlussantrag stimmte. Ebenso ist ein Wohnungseigentümer berechtigt, gegen die gemeinschaftliche Annahme eines von ihm unterbreiteten Angebots zu stimmen. Genaugenommen stellt sich sogar die Frage, ob die Kläger bei der Abstimmung über die Annahme des Angebots durch die GdWE überhaupt stimmberechtigt waren. Das Amtsgericht setzt sich hiermit nicht auseinander. 

 

Positiv zu bewerten ist, dass das Amtsgericht kein Problem mit der Verwendung des Begriffes „Sanierung“ hat. Bei objektiver Auslegung dürfte es sich um den neutralen Oberbegriff für bauliche Maßnahmen handeln, der sowohl Erhaltungsmaßahmen als auch bauliche Veränderungen umfasst und somit auch etwaige juristische Zwischenstufen zwischen diesen Maßnahmen. Der Bundesgerichtshof verwendet den Begriff in ständiger Rechtsprechung und auch im Gesamtzusammenhang verschiedener wohnungseigentumsrechtlicher Baumaßnahmen. Zu erwähnen sind beispielsweise Urteile vom 15.01.2010 – V ZR 114/09 (Balkonsanierung), 17.10.2014 – V ZR 9/14 (Kellersanierung), 13.05.2011 – V ZR 202/10 (Fassadensanierung), 13.07.2012 – V ZR 94/11 (Schwammsanierung), 10.11.2017 – V ZR 184/16 (Putzsanierung) sowie 04.08.2018 – V ZR 203/17 und 26.06.2020 – V ZR 199/19 (jeweils zur Feuchtigkeitssanierung im Altbau). 

Fazit für Verwalter

Die Verwendung des Begriffes „Sanierung“ ist grundsätzlich ungefährlich. Bei manchen Beschlussfassungen kann es sich allerdings anbieten, genauer darzulegen, welche Maßnahmen konkret durchgeführt bzw. beauftragt werden. Eine „Balkonsanierung“ sollte beispielsweise zum Ausdruck bringen, ob und welche tragenden Teile der Konstruktion angefasst werden (Balkonplatte, Ständerwerk, Brüstungsmauer etc.) und ob und inwieweit sich das äußere Erscheinungsbild ändern soll. Eine Betoninstandsetzung an den Balkonen beispielsweise ist eine Erhaltungsmaßnahme (in der Regel Instandsetzung), wenn es einen tatsächlichen Instandsetzungsbedarf gibt. Wird ohne Instandsetzungsbedarf eine Balkonsanierung beschlossen, könnte es sich insgesamt oder teilweise um eine modernisierende Instandsetzung, möglicherweise auch eine bauliche Veränderung handeln, letzteres jedenfalls dann, wenn beispielsweise geschlossene Beton- oder Mauerwerksbrüstungen durch Glaselemente ersetzt werden sollen. Nach alter Gesetzeslage konnte dies eine modernisierende Instandsetzung oder Modernisierung sein. Wie es sich seit dem WEMoG damit verhält, ist umstritten und höchst richterlich ungeklärt. 

 

Bezüglich der Beschlussverkündung „eiert“ die Urteilsbegründung herum. Die GdWE trug im Schriftsatz vor, die Beschlussfassung sei protokolliert und somit auch verkündet worden. Das ist fehlerhaft. Aus der Protokollierung in der Niederschrift darf nicht die Beschlussergebnisverkündung in der Versammlung geschlossen werden. Die Urteilsbegründung hingegen „kriegt die Kurve“: Ausweislich des Protokolls wurde abgestimmt und jeweils angenommen. Das dürfte als tatsächlicher Anhaltspunkt dafür ausreichen, dass der Versammlungsleiter nach der Auszählung der Stimmen tatsächlich die Annahme des Beschlussantrags verkündete. Im Streitfall ist hierüber vom Gericht gegebenenfalls Beweis zu erheben durch Zeugenvernehmung des Versammlungsleiters. Auch andere Wohnungseigentümer, die nicht auf Klägerseite stehen, kommen als Zeugen in Frage. 

 

Sieht der Verwalter, dass mit einer anstehenden Beschlussfassung in die Zuständigkeit des Sondereigentümers eingegriffen werden soll, dieser hiermit aber einverstanden ist, sollte dies klar und ausdrücklich in den Beschluss und somit in die Versammlungsniederschrift (Beschluss-Sammlung ebenfalls) aufgenommen werden. Wer einem Eingriff in seine Rechtssphäre zustimmt, dem geschieht kein Unrecht. Insofern liegt es nahe, dass ein derartiger Beschluss trotz des Eingriffs in den Sondereigentumsbereich bzw. die Verwaltungshoheit des Sondereigentümers nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig sein kann. Im Beschlussantrag bzw. Versammlungsprotokoll könnte sich beispielsweise folgende Formulierung anbieten: „Der Wohnungseigentümer XY ist in der Versammlung anwesend und mit der Durchführung der beschlossenen Maßnahme durch die GdWE auf Kosten des Sondereigentümers ausdrücklich einverstanden.“ 

 

Ist ein Sondereigentümer bereit, Maßnahmen in Eigenleistung auf eigene Kosten durchzuführen, erübrigt sich eine Beschlussfassung zur Finanzierung. Dies ist dann Sache des Sondereigentümers. Eine Frage der ordnungsmäßigen Verwaltung ist es, ob und inwieweit die GdWE dazu bereit ist, einem Sondereigentümer sensible bauliche Eingriffe am gemeinschaftlichen Eigentum zuzubilligen. Geht es beispielsweise um die Wiederherstellung eines oberen Nutzbelages, der zugleich abdichtende und mechanisch schützende Funktion hat, könnte es sinnvoll sein, wenn die GdWE die Maßnahme durchführt und die notwendigen Aufträge vergibt.

 

Der Oberbelag eines Balkons oder einer Terrasse, z.B. Fliesen oder Kacheln, ist grundsätzlich sondereigentumsfähig. Anderes gilt allerdings, wenn auch der oberste begehbare nutzt Belag Teil eines Abdichtungssystems ist, da dieser ebenfalls zwingend gemeinschaftliches Eigentum ist. Einzelheiten zum tatsächlichen Aufbau waren dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

Dr. Jan-Hendrik Schmidt 

W·I·R Breiholdt Nierhaus Schmidt 

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte PartG mbB Hamburg 

www.wir-breiholdt.de

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